Gerhard Walter Feuchter




-rotondo- Seite 2

Spannung, Dynamik, Zeitlichkeit vermitteln die Bildscheiben und Kreisausschnitte der Rechtecktafeln schon allein damit, dass sie kein exakt definiertes Oben und Unten besitzen. Die Tondi berühren nur mit einer geringfügigen Auflagefläche den Boden, drohen, beim leisesten (Berührungs)Impuls in Bewegung zu geraten, ihre Gestalt zu verändern; sie schicken sich – an der Wand hängend – fast unwillkürlich an, in immer schneller werdende Drehbewegungen zu geraten, Pfeile, Keile, mäandernde Mandala-Ströme treiben das propellierende Augendrehen weiter an, und Achsenöffnungen gestatten dem Betrachter nicht etwa nur bloße Durchblicke, sondern verdeutlichen auch, dass wir Bestandteile eines wie auch immer gearteten Fortbewegungsmittel (vielleicht Automobilien des Denkens und der Vorstellung) vor uns haben. Die üblichen weil kulturell antrainierten Sehgewohnheiten erreichen hier ihre Grenzen: im monitoren Bildschirmdenken konditioniert sind wir bekanntermaßen bestimmte Leserichtungen und Vollständigkeitswähne gewohnt, beginnen oben links nach unten rechts Zeichen, Zeilen, Chiffren und deren Gehalt sukzessive abzulesen. Doch angesichts der Tondi findet das Auge keinen (orthogonalen) Halt mehr und setzt immer neu im Sehen an.

Noch auf den Rectangulären (den Rechteckformaten) haben die Planeten aber ihre linear vorgezeichneten und über die Zeit eingeprägten Umlaufbahnen verlassen und unser Blick geht unversehens ins rotunde Nichts des Raumes, indem kreisrunde Öffnungen in Gestalt von Cut-Outs im Material die Wahrnehmung einer nur eindimensional homogenen Darstellungsoberfläche nicht mehr zulassen: wir versuchen, das Bild anzuschauen, sind allerdings gezwungen, durch es hindurch zu schauen, und doch durchschauen wir Bild und Bildwelt dabei keineswegs.